Um ihre Grammatik und ihren Wortschatz zu verbessen empfahl Knut Weinmeister ihr, das Gehörlosenzentrum zu besuchen. Und dann saß sie dort dreimal in der Woche und hat alles in sich aufgesogen und ihre Gebärdensprache kontinuierlich verbessert. Bis zuletzt war sie Knut und seiner Familie eng verbunden – und fast so etwas wie seine "zweite Mutter". "Durch Gebärdensprache hat sich mein Leben verändert. Ich habe Sinn für mich und meinen Beruf gefunden. Eigentlich hat sie mein Leben umgekrempelt. Sollte mein Leben bald zu Ende gehen – wer weiß – kann ich sagen: Ich bin zufrieden! " Karin Kestner Immer im Einsatz für Kinder und Eltern Das Angebot für hörende Eltern war früher überschaubar. Und Karin Kestner fiel sofort auf, dass es zwar VHS-Kurse für Erwachsene gab, doch die betroffenen Kinder außen vor waren. Die Eltern sollten ihr frisch erworbenes Wissen an die Kinder zuhause weitergeben – ohne irgendeine Qualitätskontrolle. Hier kam der jungen Frau die erste Idee für eine Verbesserung: Warum nicht Gebärdensprachdozenten zu den Familien nach Hause schicken, um sie dort zu unterrichten?
Als Gebärdensprachdolmetscherin und Aktivistin der ersten Stunde kämpfte Karin Kestner für die Gleichberechtigung Gehörloser. Insbesondere für das Recht auf Gebärdensprache bei Kindern setzte sie sich ein. Ihre Auftritte auf der Rathaustreppe in Kassel Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts waren legendär: Was erlaubte sich diese Person, in der Öffentlichkeit zu "plaudern"? Dass sie hörend war, war damals nicht so sehr das Thema, sondern eher die damals noch vorherrschende grundsätzliche Scham über die Gebärdensprache. Knut Weinmeister, der sie an die Gehörlosengemeinschaft heranführte, erinnert sich: "Sie hat ihr Leben voll und ganz den Gehörlosen, insbesondere den gehörlosen Kindern gewidmet. " Pragmatisch, resolut, schnell brachte sie wenig später DVDs und Lernmaterial heraus, sodass man Gebärdensprache auch alleine vor dem Computer lernen konnte. Ihr Verlag, den sie mit ihrem Mann Tiemo Hollmann aufbaute, lief auf Hochtouren. "777 Gebärden" war lange ein Standardwerk, für Kinder gab es "Tommys Gebärdenwelt".
Karin Kestner wälzte verschiedene Gesetzesbücher, suchte die passenden Paragrafen heraus und warb mit ihrer Idee bei den Dozenten und Eltern. Die haben dann jeweils einen Antrag gestellt – mit Erfolg. Die Hausgebärdenkurse waren "geboren". Bis heute zahlt das Sozialamt diese Kurse – auch wenn man sie in manchen Fällen immer noch erstreiten muss. Immer dort aktiv, wo es nötig war Das war nur ein Startschuss für das Engagement und die Erfolge der aktiven Frau. Sie verfasste Bücher (z. B. "Das große Wörterbuch der Deutschen Gebärdenlexikon") und sogar Computer-Lernprogramme für Kinder, in denen sie Gebärden auflistete und erklärte. Sie gründete ihren eigenen Verlag, um die Produkte zu vermarkten. Auf ihrer Webseite trug sie alle relevanten Informationen und vor allem rechtliche Grundlagen zusammen. Sie informierte auf Tagungen, wie das CI Familien beeinflusst. Und setzte sich dafür ein, dass gehörlose Kinder Regelschulen besuchen können. Kurzum: Sie sah hin und wurde dort aktiv, wo es klemmte.
Anzeige Im Namen vom Taubenschlag möchte ich unser großes Bedauern über die traurige Nachricht bekunden: Karin Kestner starb im Alter von 63 Jahren am Dienstag, 4. Juni 2019 nach schwerer Krankheit. Sie hinterlässt ihren Ehemann Tiemo Hollmann und vier erwachsene Kinder. Sie hat sich ihr halbes Leben lang für die Belange der Gehörlosen und die bimodal-bilinguale Bildung eingesetzt und hat vor zwanzig Jahren ihren Verlag gegründet. Sie hat viele Eltern unterstützt, ihnen Mut gemacht und dabei geholfen, ihr Recht durchzukämpfen. Sie war für viele "ein Fels in der Brandung". Der unermüdliche Kampf von Kestner kam so nicht nur den Eltern Kinder zu Gute, sondern ebenso den gehörlosen Gebärdensprachdozenten und Dolmetschern. Kestner wurde 2017 in Schauenburg für ihre Verdienste zur Integration von tauben Menschen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Unser tiefes Mitgefühl gilt der Familie und den Angehörigen. Nachruf der Deutschen Gehörlosenzeitung Nachruf von Biling e. V. Nachruf von BVGH e.
Inhalt Artikel bewerten: Durchschnittliche Bewertung: 4. 54 von 5 bei 71 abgegebenen Stimmen. Sie war eine 24-Stunden-Frau, aktiv, temperamentvoll, laut, fröhlich – und die "Mutti" der Gehörlosen: Karin Kestner hat sich als hörende Frau ihr halbes Leben lang für die Belange der Gehörlosen eingesetzt. Die Welt der Gehörlosen trauert um diese einzigartige Kämpferin. Stand: 12. 06. 2019 Die "rote Sirene" fiel auf. Optisch und durch ihre Art. Ihr Kampfgeist war legendär: Karin Kestner kämpfte lautstark gegen das CI oder die orale Erziehung – als Hörende. Angefangen hat alles vor über 25 Jahren: Karin hatte als junge Frau den Film "Gottes vergessene Kinder" gesehen. Mindestens vier- oder fünfmal. Besonders eine Gebärde hatte sie sich daraus gemerkt: "Liebe". Und dann wusste sie: sie muss Gebärdensprache lernen. Erstes Engagement Ihren ersten Einsatz als Dolmetscherin hatte Karin Kestner für Knut Weinmeister. Sie war total aufgeregt und unsicher. Zu Beginn war es wohl auch eher LBG als reine DGS.