Um zu untersuchen, wie das Gehirn solche Bewegungen aus der Informationsflut herausfiltert, baten die Forscher 30 Probanden, ihre linke Handfläche mit ihrem rechten Zeigefinger zu berühren - allerdings nicht direkt, sondern vermittelt durch einen computergesteuerten Hebel zwischen Finger und Handfläche, der die Berührung des Fingers simulierte. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den Kontaktzeitpunkt verzögern oder beschleunigen. Während des Tests sollten die Teilnehmer angeben, ob die Berührung mit dem eigenen Finger stärker oder schwächer war als eine vorhergehende automatische Berührung mit dem Hebel. Das Ergebnis: Immer dann, wenn der Hebel die Fingerbewegung ohne Verzögerung oder Beschleunigung auf die Handfläche übertrug, empfanden die Teilnehmer die Berührung als deutlich schwächer als die Kontrollberührung. Wich der Kontaktzeitpunkt dagegen vom erwarteten Zeitpunkt ab, erschienen ihnen Kontroll- und Testberührung gleich stark. Es spielt also eine wichtige Rolle für die Empfindungsdämpfung, ob man den Zeitpunkt der Berührung vorhersagen kann, schließen die Forscher.
Veröffentlicht am 23. 06. 2020 | Lesedauer: 3 Minuten Quelle: Getty Images/Cultura RF/Eugenio Marongiu Nie war es so einfach wie heute, unabhängig zu sein. Für alles gibt es Dienstleister und Services. Wir müssen das Haus kaum verlassen, nicht direkt mit Menschen interagieren. Es gibt nur wenig, das wir nicht selbst hinkriegen: wie etwa, uns selbst zu kitzeln. You had what I lack, myself / Now I even have to scratch my back myself. Die Zeilen stammen aus dem Jazz-Standard "It never entered my mind", den unter anderem Frank Sinatra (1946) interpretiert hat. Der Erzähler erinnert sich an eine verflossene Liebe. Nie hätte er sich vorstellen können, dass er wirklich einmal alleine dasitzen würde. Verlassen, desolat und in der misslichen Lage, sich sogar selbst den Rücken kratzen zu müssen! Anatomisch unmöglich, wenn man nicht gerade sehr gelenkig ist. Für dieses wie für viele andere Probleme hält unsere Zeit natürlich im Internet eine Lösung bereit: Quelle: Screenshot/Amazon Der Rückenkratzer hat sogar eine Teleskopfunktion!
Danach wurden sie befragt, ob sie den Faden gespürt hatten und welche Berührung sie als stärker empfanden. In einem dritten Test wurden die Daumen der Teilnehmer mit Elektroden versehen. Die Forscher maßen, wie schnell das Gehirn die Reizinformation verarbeitet, von einer fremden Person oder sich selbst berührt worden zu sein. Zusammengenommen bestätigten die letzten beiden Experimente sehr klar die Erkenntnis aus dem ersten: Unser Gehirn priorisiert offenbar Reize, die durch Berührung von anderen entstehen. Quelle: Getty Images/Onoky/Letizia Le Fur Nicht nur kann es zwischen beiden Arten von Berührungen unterscheiden, es gewichtet sie auch unterschiedlich. Warum? Fremde Berührungen richtig einschätzen zu können ist eine wichtige Fähigkeit im Umgang mit anderen Menschen. Über Berührungen lässt sich Nähe herstellen, sie können aber auch gewalttätig sein. Wenn wir uns selbst berühren, ist das nie überraschend. Unser Gehirn antizipiert dies aufgrund der motorischen Befehle, die wir etwa an unsere Hand gesendet haben, um den eigenen Arm zu berühren.
Dieser Reaktion liegt ein Effekt im sogenannten somatosensorischen Kortex des Gehirns zugrunde, zeigen Studien. Dabei handelt es sich um das Areal des Gehirns, in dem taktile Reize verarbeitet werden. Bisher ging man davon aus, dass der fehlende Kitzeleffekt bei Selbstberührung auf unserer Fähigkeit beruht, zwischen eigenen Stimulationen und der Berührung durch Andere zu unterscheiden. In den Studienergebnissen der Forscher um Michael Brecht von der Humboldt-Universität zu Berlin zeichnet sich nun allerdings ein einfacherer Mechanismus ab. Sie fanden heraus, dass die Kitzelreaktion bei Ratten während einer Selbstberührung wie etwa beim Putzen, unterdrückt wird. Durch fremde Berührung wird sie hingegen verstärkt, so die Beobachtung. Wenn Forscher Ratten kitzeln… Durch ihre Experimente konnten die Forscher zudem zeigen: Wenn Fremdberührung und Selbstberührung gleichzeitig erfolgen, wird die Kitzelreaktion ebenfalls unterdrückt. Ein Bremsmechanismus zeichnet sich folglich als der Hauptfaktor der Unterdrückung der Selbstkitzlichkeit ab.
Es handelt sich somit um ein Verhalten, das dem menschlichen ähnelt, sagen die Wissenschaftler. Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin, Fachartikel: Current Biology, doi: 10. 1016/ 27. September 2019 © - Martin Vieweg
Home Wissen Biologie Nachhaltiger Kaffee 3. Oktober 2019, 11:46 Uhr Verhaltensbiologie: Warum man sich nicht selbst kitzeln kann Kinder und junge Ratten sind besonders kitzel-empfindlich. Für alle gilt: Es geht nur bei guter Laune. (Foto: Heiko Wolfraum / dpa) Biologen der Humboldt-Universität haben an Ratten einiges über die neuronalen Grundlagen der Kitzligkeit herausgefunden. Im Gehirn der Nager gibt es spezialisierte Zellen, die besonders stark auf diese Art von Berührung reagieren. Berühren sich die Tiere selbst, wird die Aktivität der Zellen dagegen unterdrückt. Von Tina Baier Unkontrollierte Lachanfälle gepaart mit einem gequälten Gesichtsausdruck - das seltsame Verhalten von Menschen, die gekitzelt werden, ist Wissenschaftlern bis heute nahezu unerklärlich. Und warum kann man sich eigentlich nicht selbst kitzeln? Das hat sich schon Aristoteles gefragt. Der griechische Gelehrte vermutete, dass das nicht funktioniert, weil das Überraschungsmoment fehlt. Ähnlich wie man sich selbst ja auch nicht erschrecken kann.
Die Berliner Forscher fanden nun aber bei den Experimenten an den Ratten heraus, dass das Lachen ebenso wie die Aktivität des betreffenden Bereichs der Großhirnrinde während einer Selbstberührung unterdrückt werden. Dies sei auch so, wenn sich Lebewesen selbst putzen. Während der Fremdberührung und des Kitzelns durch die Wissenschaftler seien die Aktivität im Hirn und der Impuls zu lachen aber verstärkt worden. Passiere aber die Selbstberührung und die Berührung durch andere zur selben Zeit, sei das Lachen ebenfalls unterdrückt. Dies deute darauf hin, dass das Gehirn der Ratte eben nicht zwischen der Selbstberührung und der Berührung durch andere unterscheiden könne. Die neuen Erkenntnisse legten nahe, dass die Menschen sich nicht selbst kitzeln können, weil die Selbstberührung eine Bremse im Großhirn aktiviere. Die Ratten seien außerdem trainiert worden, selbst zu kitzeln. Dabei brachen sie diese Initiation im Experiment demnach manchmal vorzeitig ab, zeigten Fluchtverhalten oder Schreckstarre.
Diese Ambivalenz gleiche dem Verhalten der Kinder. Die Ambivalenz des Kitzelns sei eine Verhaltensreaktion, die bei Ratten und Menschen gleich sei.
Allein eine Sache gibt es dann doch, die wir nicht mit eigenem Handanlegen erledigen können. Wir können uns nicht selbst kitzeln – das Gehirn erkennt nämlich den Unterschied. Die Berührung durch andere Menschen gehört elementar zu unserem Menschsein dazu. Schon vor der Geburt fühlt ein Fötus das Innere des Mutterleibes. Wir schütteln Fremden die Hand, um sie zu begrüßen, und klopfen anerkennend auf Schultern. Das könnte dich auch interessieren: Diese Bedeutung der Fremdberührungen spiegelt sich in unserem Gehirn wider. Es verarbeitet diese Berührungen anders, als wenn wir uns selbst berühren. Das zeigt unter anderem eine neue Studie der Linköping-Universität in Schweden. Quelle: Getty Images/Cultura RF/Maria Fuchs In einer ersten Untersuchung verglichen die Forscher die Gehirnaktivität von Probanden, wenn diese sich selbst berührten und wenn sie berührt wurden. Die MRT-Scans zeigten, dass bei Fremdberührungen mehr Gehirnareale aktiviert werden und dies intensiver. In der zweiten Untersuchung sollten die Testpersonen ihren eigenen Arm berühren, während sie von den Testleitern mit einem Plastikfaden berührt wurden.
Für diese Theorie spricht auch, dass wir nicht kitzelig sind, wenn etwa die Arme beim Gehen am Rumpf entlangstreifen. Biologinnen und Biologen der Humboldt-Universität haben noch eine andere Idee. Bei Versuchen mit Ratten stellten sie fest, dass bestimmte Zellen im Gehirn eine Rolle spielen könnten. Diese Zellen reagierten ganz besonders, wenn die Tiere gekitzelt wurden. Putzten sich die Ratten aber selbst, waren die Zellen nicht aktiv. Dieser Unterdrückungsmechanismus könnte auch beim Menschen der Grund dafür sein, dass wir uns nicht selbst kitzeln können. Warum es ihn gibt, ist aber noch unerforscht. Autorin: Christiane Tovar